Plenarvorträge I-III

Univ.-Prof. Dr. Gerda HagenauerZur Rolle von Emotionen in der Schule

„I don’t think I could, you know, just teach without any emotion” - dieses Zitat einer Hochschullehrenden spiegelt sehr deutlich den zentralen Stellenwert, den Emotionen für das Unterrichten einnehmen, wider. Auch die wiederholte Betonung, dass der Lehrberuf mit hohen Belastungen einhergeht, die unter Umständen auch Stressreaktionen (u.a. Burnout) nach sich ziehen, deutet auf die hohe Emotionalität im Unterrichtshandeln hin. Aber nicht nur das Unterrichten, sondern auch das Lernen der Schüler*innen ist untrennbar mit Emotionen verknüpft. Schüler*innen freuen sich auf das Experimentieren im Physikunterricht, sie sind stolz über das Lob der Lehrkraft, sie ärgern sich über eine schlechte Note und sie sind traurig über eine als verletzend erlebte Lehrer-Schüler-Interaktion. Trotz dieser naheliegenden Bedeutung von Emotionen für Lehr-Lernprozesse in der Schule, wurden diese lange Zeit in der empirischen Schul- und Unterrichtsforschung vernachlässigt. Mittlerweile liegt jedoch eine beträchtliche Menge an empirisch-gestützten Erkenntnissen zu Emotionen in der Schule vor. Der Vortrag greift den aktuellen Stand der Forschung auf und gibt einen Einblick in aktuelle Erkenntnisse zum Themenfeld „Emotionen in der Schule“. Daraus werden Ableitungen für die Ausgestaltung einer „emotionsgünstigen“ Schulpraxis skizziert.

Gerda Hagenauer studierte Erziehungswissenschaft an der Universität Salzburg und habilitierte sich an der Universität Bern. Sie ist Professorin für Bildungswissenschaft am Fachbereich Erziehungswissenschaft und der School of Education an der Universität Salzburg. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Emotionen, Motivation und Sozialbeziehungen in der Schule, Hochschule und in der Lehrer*innenbildung. Sie ist Autorin vieler Publikationen zum Thema Emotionen in der Schule, wie z.B. „Emotionen und Emotionsregulation in der Schule und Hochschule“ (erschienen 2018; Waxmann Verlag) oder „Lernfreude in der Schule“ (erschienen 2011; Waxmann Verlag).

 

Dr. Heidemarie Bennent-Vahle:Vom Wert der Charaktertugenden – Persönlichkeitsbildung und die Kraft der Emotionen 

Seit jeher zielen die Tugendkonzepte der Besonnenheit und Gelassenheit darauf, die Fähigkeit zu Selbstreflexion und Selbstkorrektur anzuregen. Es geht um Haltungen im Selbstverhältnis, die vornehmlich im Austausch mit erfahrenen und wohlmeinenden Anderen zu gewinnen sind. Allerdings war etwa im antiken Denken mit diesen Tugenden weitaus mehr gemeint als eine heute oftmals ‚angesagte‘ clevere Gefühlstaktik zur Durchsetzung und Sicherung eigener Vorteile. Vormals war es selbstverständlich, mit einer besonnenen Einstellung eine ethisch-soziale Ausrichtung des Handelns zu verknüpfen. Eine Erneuerung besonnenen/gelassenen Denkens und Handelns erweist sich für die Gegenwart als dringlicher denn je. Diese These wäre nicht zuletzt im Blick auf aktuelle Tendenzen politischer Radikalisierung und gesellschaftlicher Verrohung zu vertiefen. Es wird zu erläutern sein, wie bedeutsam eine Kultur umsichtiger, emotionaler Persönlichkeitsbildung nicht nur für die individuelle Lebensgestaltung ist, sondern vor allem auch für das Gelingen demokratischer Prozesse. Ausgehend von der besonderen Logik und Erkenntniskraft der Gefühle kommt es heute darauf an, der menschlichen Emotionalität auf neue Weise gerecht zu werden und insbesondere eine Kultivierung der Mitgefühle anzuregen. Hier bietet die philosophische Tradition zwar viele wertvolle Kenntnisse und Anknüpfungspunkte, doch müssen diese auf der Basis vertiefter wissenschaftlicher Kenntnisse über das menschliche Gefühlsleben zeitgemäß austariert und in ihrer praktischen Tragfähigkeit neu bewertet werden. Nicht zuletzt in Anbetracht der kommerziellen und erfolgstaktischen Indienstnahme des Emotionaleninnerhalb der gegenwärtigen westlichen Gesellschaften entstehen hier — vornehmlich in Bezug auf den Bereich der Erziehung — neue Herausforderungen. Thematisiert werden die aktuell immer noch augenfällige Vernachlässigung emotionaler Bildung in vielen Lernkontexten, nicht minder aber ein derzeit angesagter Hype der Gefühle.

Heidemarie Bennent-Vahle, Philosophin und Logotherapeutin, betreibt eine Philosophische Praxis in Henri-Chapelle/Belgien. Hier arbeitet sie sowohl mit Einzelpersonen als auch mit Gruppen in Workshops und Philosophischen Salons. Über lange Zeit war sie im Vorstand der IGPP (Internationale Gesellschaft für Philosophische Praxis) aktiv und ist derzeit ebenso Mitglied des BVPP (Berufsverband Philosophische Praxis), wo sie im berufspraktischen Bildungsgang auch lehrend tätig ist. Zudem ist sie Mitherausgeberin des Jahrbuches des IGPP. Neben einer intensiven Lehr- und Vortragstätigkeit veröffentlichte sie in den letzten Jahren u. a. die Bücher „Glück kommt von Denken – Die Kunst das eigene Leben in die Hand zu nehmen“ (Herder-Verlag 2011), „Mit Gefühl Denken – Einblicke in die Philosophie der Emotionen“ sowie „Besonnenheit — eine politische Tugend. Zur ethischen Relevanz des Fühlens“ (Alber-Verlag 2013 bzw. 2020); mit U. Gahlings u. R. Kozljanič (Hg.) zudem den Band: „Lebensdenkerin: Liebe zum Denken – Praxis des Lebens – Weisheit der Liebe“ (Albunea-Verlag 2014). Noch in diesem Jahr wird im Alber-Verlag der Band „Weltverflochtenheit, Verletzlichkeit und Humor. Ethisch-anthropologische Überlegungen zur Philosophischen Praxis mit Helmuth Plessner“ erscheinen.

 

HS-Prof. em. Mag. Dr. Eva Maria Waibel:Wenn die Seele weint, hilft auch PISA nicht mehr. Mit dem Herzen lernen.

Schon Schopenhauer meinte: „Was das Herz nicht hineinlässt, kann der Verstand nicht aufnehmen“. Lernen ist tatsächlich primär ein emotionaler und erst sekundär ein kognitiver Akt. Lernen basiert auf der Beziehung und Begegnung zwischen Kind und Erwachsenem, aber auch auf der Beziehung und Wertbegegnung zwischen dem Kind und dem Unterrichtsgegenstand. Lernen in einem humanistischen Verständnis strebt die Entfaltung des ganzen Menschen an, mit all seinen Potenzialen, mit all seinen Werten und mit all seinen Gefühlen. Ziel ist es, sein eigenes Menschsein zu entfalten und mehr und mehr Mensch zu werden. Voraussetzung dafür ist es, Schule menschlicher zu gestalten, sich mehr an der Person zu orientieren und gleichzeitig den Unterrichtsstoff nicht aus dem Auge zu verlieren. Dazu gehört, das WOZU, den Sinn in dem zu lernenden Unterrichtsinhalt aufleuchten zu lassen. Wie kann das gelingen? Wie kann lernen Freude machen und als sinnvoll empfunden werden? Wie gelingt die Rückkoppelung zur eigenen Person, um die eigene innere Beteiligung, die eigene Motivation zu mobilisieren? Ein auf diesen Bausteinen aufgebautes Vorgehen stärkt nicht nur die Motivation des Kindes, sondern auch seine Freiheit und Verantwortung. Zudem fördert es seine personale Stellungnahme und sein entschiedenes Tun. In diesem Vortrag nähern wir uns dem Thema aus verschiedenen, die Emotion beleuchtenden Perspektiven und zeigen auf, wie ein existenzieller Zugang, ein Zugang zu den eigenen Lebensthemen, zu den eigenen Gefühlen, zu den Personalen Werten, die Lernmotivation erhöht.

Eva Maria Waibel, Mag. phil., Dr. phil., em. Hochschulprofessorin, Erziehungswissenschaftlerin, Psychotherapeutin (Existenzanalyse und Logotherapie), Pädagogin und Dozentin an verschiedenen Pädagogischen Hochschulen und Universitäten, Lehrgangsleiterin verschiedener Lehrgänge zur Existenziellen Pädagogik, Autorin zahlreicher Bücher zur Existenziellen Pädagogik, Obfrau des Instituts für Existenzielle Pädagogik, Co-Leiterin des Vorarlberger Instituts für Existenzanalyse.

 

Workshop I-IV

Workshop I

Univ.-Prof. Dr. Anton Bucher: Glück und Zufriedenheit

  • Überblick über die Psychologie des Glücks
  • Was ist Glück bzw. Zufriedenheit und wie lassen sie sich messen?
  • Was macht Menschen glücklich? Liebe Worte mehr als steigende Aktien
  • Was macht Glück mit den Menschen? Viel Gutes, unter anderem, dass der Blutdruck sinkt
  • Wie lässt sich Glück erhöhen? Dauerhaft durch das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs

Anton Bucher ist Professor für Religionspädagogik am Fachbereich Praktische Theologie der Universität Salzbuzrg; 1960 in Altbüron (Schweiz) geboren, 1981-1986: Studium der Theologie, Pädagogik und Psychologie in Fribourg, 1987-1990: Hochschulassistent in Mainz, Promotion und Habilitation in Religionspädagogik, Ab 1993: Universitätsprofessor für Religionspädagogik in Salzburg, 2000: Habilitation in Erziehungswissenschaft in Fribourg, Verfasser von mehr als 20 Büchern und zahlreichen Artikeln. Forschungsschwerpunkte: Psychologie der Spiritualität, Psychologie des Glücks, speziell bei Kindern, Empirie des Religions- und Ethikunterrichts sowie moralische, religiöse und spirituelle Entwicklung.

 

Workshop II

Univ.-Prof. Dr. Raphaela Porsch: Angst

Der Workshop zum Thema „Angst“ hat das Ziel die Teilnehmer*innen als Pädagog*innen zu adressieren und sie mit der Emotion im Kontext Schule vertraut zu machen. Sie sollen ein differenzierteres Verständnis der Emotion Angst, seinen Ursachen und seinem Auftreten bei Schüler*innen als auch Lehrkräften erhalten sowie Anregungen für die Gestaltung eines angstfreien Unterrichts erhalten. Nach einer Einführung in die Grundlagen zum Verständnis von Angst (Wer kann Angst in der Schule erleben und zu welchen Anlässen?), soll sich exemplarisch mit Angst im bzw. mit Mathematik(unterricht) auseinandergesetzt werden und die Frage beantwortet werden „Ist Mathematik ein Angstfach?“. Im letzten Teil geht es um die Gestaltung eines emotionsgünstigen und angstfreien Unterrichts ergänzt um den Blick auf den Bildungsaspekt, d.h. Angst sowohl als Unterrichtsthema zu adressieren als auch Strategien für ihren Umgang zu vermitteln.

Prof. Dr. Raphaela Porsch hat Lehramt (Primar- und Sekundarstufe) an der Humboldt-Universität Berlin studiert, ihre Promotion 2010 in Berlin im Fach Erziehungswissenschaft (Dr. phil) abgeschlossen, wissenschaftliche Tätigkeiten Aufenthalte an der TU Dortmund, Universität Oldenburg und Universität Münster folgten. 2018 hat sie die Habilitation in Münster abgeschlossen und die venia legendi für das Fach Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Schulpädagogik/Schul- und Unterrichtsforschung“ erhalten. Seit 2019 ist sie Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Allgemeine Didaktik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Ihre Forschungsthemen liegen im Bereich der Schul- und Unterrichtsforschung, Allgemeinen Didaktik, Lehrerbildung, Professions- und Fremdsprachenforschung. Themen ihrer aktuellen Arbeiten beziehen sich auf Emotionen und Medienkompetenzen bei (angehenden) Lehrkräften, Fachfremdes Unterrichten, Quer-/Seiteneinstieg in den Lehrerberuf, Schulabsentismus und Schulabbruch, Schulpraktische Aufenthalte in der Lehrerbildung sowie Berufswahlmotivation und -sicherheit im Lehrerberuf.

 

Workshop III

Univ.-Ass. Mag. Dr. Julia Reischl: Zum multiperspektivischen Erleben von Scham im Schulunterricht

Im Fokus des Workshops steht der affektive Umgang schulischer Akteur*innen mit beschämungsträchtigen bzw. schamgenerierenden Situationen im Unterricht. Anhand exemplarisch ausgewählten Datenmaterials wird der intrapersonalen Schamdynamik sowie jener zwischen Lehrenden und Lernenden tiefenpsychologisch auf die Spur gegangen. Leitend ist hierbei die Überlegung, dass die Akteur*innen eigene biographisch erworbene Anteile der Scham – sog. Schamintrojekte – in den Schulunterricht mit(ein)bringen, die situativ – in Abhängigkeit der jeweiligen eigenen Schamerfahrungen – in der pädagogischen Interaktion reaktiviert und wirksam werden. Im Workshop werden ebenso Konsequenzen für die pädagogische Praxis bzw. die (emotionsfokussierte) Lehrer*innenbildung thematisiert und diskutiert.

Julia Reischl ist Post-doc am Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Generalsekretärin des Instituts für Kulturpsychologie und qualitative Sozialforschung (ikus) und Mitbegründerin der Vienna Autumn School of Methods (VASOM). In ihrer Forschung widmet sie sich multiperspektivisch und multimethodisch dem Umgang mit Beschämungserfahrungen im Kontext von Schule und Universität.

 

Workshop IV

Detlev Vogel, MA: Achtsamkeit und Beziehungsgestaltung in der Schule

Der Lehrberuf ist der Beziehungsberuf schlechthin. Als Lehrperson sind wir täglich mit vielen Kindern in Kontakt, indirekt auch mit ihren Lebensläufen und Familien. Die Fähigkeit, zu allen Schüler*innen positive und unterstützende Beziehungen aufzubauen, ist eine Schlüsselkompetenz und gleichzeitig eine der größten Herausforderungen für Lehrpersonen, auf die sie in der Ausbildung oftmals nicht ausreichend vorbereitet wurden. Eine Vielzahl an Forschungen belegt die essenzielle Bedeutung der Qualität der Lehrperson-Schüler*in-Beziehung für die sozio-emotionale, aber ausdrücklich auch für die schulische Entwicklung der Schüler*innen (Hattie, 2013; Jennings & Greenberg, 2009; OECD, 2011). Achtsamkeitspraxis fördert Feinfühligkeit, Klarheit und Mitgefühl, also sozio-emotionale Kompetenzen von Lehrpersonen (Dekeyser et al., 2008; Jennings et al., 2013; Jimenez et al, 2010). Sie kann auch helfen, aus der Spirale unguter Reaktivität (Reiz-Reaktions-Schema) besonders in der Interaktion mit Kindern mit auffälligem Verhalten herauszukommen. Im Workshop wird das «Dreidimensionale Interaktionsmodell für konstruktive Kommunikation in der Klasse» (Vogel et al., 2019) vorgestellt, mit dessen Hilfe Stärken und Entwicklungspotentiale diesbezüglich identifiziert werden können. Zudem werden entsprechende Forschungsergebnisse präsentiert und Fragen der Bedeutung für die Lehrpersonenbildung diskutiert.

Detlev Vogel ist Erziehungswissenschaftler, Montessori- und Gestaltpädagoge und ist Dozent und Projektleiter an der Pädagogischen Hochschule Luzern. Er war mehrere Jahre Lehrer und Schulleiter. Seine Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Lehrperson-Schüler*in-Beziehungen, beziehungsorientierter Umgang mit auffälligem Verhalten und Achtsamkeit in der Schule. Letzteres hat er in der Aus- und Weiterbildung an der PH Luzern etabliert. Diverse Publikationen und Co-Herausgeber des Sammelbandes: Vogel, D.; Frischknecht-Tobler, U. (Hrsg.) (2019): Achtsamkeit in Schule und Bildung. Detlev Vogel ist Vater von zwei erwachsenen Töchtern und praktiziert seit 30 Jahren Achtsamkeit.

Rahmung und Moderation

HS-Prof. Mag. Dr. Matthias Huber: Sinn und Emotion

- Einführung in das Thema und die pädagogische Emotionsforschung

- Moderation der Podiumsdiskussionen  

- Inhalltliche Verantwortung des Symposiums 

Matthias Huber, HS-Prof. Mag. Dr., Professor für Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung an der Pädagogischen Hochschule Kärnten. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte: Pädagogische Epistemologie und Anthropologie, Bildung und Emotion, Pädagogische Emotionsforschung, Bildungsverlaufsforschung & Übergangsforschung, Lehrer*innenbildung & Schulentwicklung, Mixed-Methods-Research & Videobasierte Unterrichtsforschung.